An jedem Monatsanfang zeige ich, was gerade auf meinem Nähtisch liegt. Im Moment sind das – ja, auch bei mir! – Mundschutze. Ich vermute, das Thema beschäftigt gerade alle, die eine Nähmaschine zu Hause stehen haben. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen eine Haltung dazu finden. Dafür oder dagegen? Bringt es etwas, wenn wir jetzt im Supermarkt eine Stoffmaske tragen? Was sagen Virologen, das Robert-Koch-Institut, die WHO dazu? Und wenn es tatsächlich dazu beitragen kann, Infektionen zu verringern, welches der unzähligen Schnittmuster soll ich verwenden? Für wen möchte ich Masken nähen? Und wie viele?
Update: Dieser Artikel wurde vor Einführung der Maskenpflicht in Deutschland geschrieben. Die Maskenpflicht gilt seit 29. April 2020 z. B. im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften.
Mundschutz tragen – Ja oder Nein?
Mein Standpunkt war bisher, Masken und Schutzkleidung sollten vor allem medizinischem Personal und Risikogruppen vorbehalten sein. Meine Mittel, um eine Ansteckung zu vermeiden, sind: Daheim bleiben, Abstand halten und Händewaschen! Ich kann zu Hause arbeiten und muss nur einmal in der Woche unter Leute, nämlich um im Supermarkt einzukaufen. Weil ich es mir einrichten kann, gehe ich dann in aller Herrgottsfrühe, wenn noch nichts los ist. Ich habe also keine engen Kontakte außer zu meinem Ehemann, der aber auch zu Hause im Home Office arbeitet. Deshalb haben wir bisher keinen Mundschutz getragen. Auch weil es lange keine klare Handlungsempfehlung dafür gegeben hat.
Nun sprechen sich aber immer mehr Virologen und auch unser Gesundheitsminister Jens Spahn explizit FÜR das Tragen von Masken im öffentlichen Raum aus. Es könnte doch helfen, andere zu schützen, wenn man selbst mit dem Virus infiziert ist. Natürlich nur als zusätzliche Maßnahme. 2 Meter Abstand halten und Hygieneregeln bleiben weiterhin wichtig!
Update 18.06.20: Neue Studien legen nahe, dass „Alltagsmasken“ tatsächlich eine Schutzwirkung gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben. (tagesschau.de)
Bitte weitersagen: Mit einer selbstgenähten Stoffmaske schützt man sich selbst nicht vor Viren! Man verringert das Risiko, andere Menschen anzustecken, wenn man selbst infiziert ist. So eine Maske stellt keine Persönliche Schutzausrüstung dar und ist kein Medizinprodukt! Es ist nur ein Behelf.
#maskeauf
Ich habe den Eindruck, dass tatsächlich immer mehr Leute eine Maske tragen. Es scheint sich gerade zu drehen. Es werden nicht mehr diejenigen komisch angeguckt, die einen Mundschutz tragen, sondern die, die keinen aufhaben. Allerdings habe ich im Supermarkt auch beobachtet, dass Masken falsch benutzt werden. Es ist keine gute Idee, ständig an der Maske herumzuzuppeln und sie hoch- und runterzuziehen! Dabei kann man sich das Virus, das vielleicht an den Händen klebt, ins Gesicht schmieren. Auch Masken mehrmals zu benutzen, ist kontraproduktiv! Meine Befürchtung ist, dass viele zu sorglos damit umgehen.
Welches Schnittmuster nehme ich?
Deshalb war mir klar: Wenn ich Masken nähe, dann muss es ein Schnittmuster sein, das richtig gut sitzt. Die Maske soll aufgesetzt und dann nicht mehr von außen berührt werden. Ich nähe nur für meine Familie, und keiner von uns arbeitet in einem medizinischen Beruf. Niemand von uns hat also jemals gelernt und geübt, eine Maske richtig zu verwenden. Meine Wahl fiel schließlich auf die Behelfs-Mundmaske von Mira Rostock.
An dieser Maske gefällt mir, dass man keine Falten legen muss und kein Schrägband braucht. Ich habe nämlich mehr kochfesten Gummi als Schrägband vorrätig. Durch den Abnäher am Kinn schließt die Maske gut ab, auch seitlich ist alles schön zu. Damit die Maske auch im Nasenbereich optimal sitzt, habe ich noch ein Stück Draht eingenäht. Mit dieser kleinen Ergänzung eignet sich die Maske auch gut für Brillenträger. Ich finde das Schnittmuster super. Es liegt schön eng am Gesicht an. Ob es das beste Schnittmuster von allen ist? Keine Ahnung! Ich habe kein anderes ausprobiert.
Übrigens: Man kann die Maske auch mit Bindebändern nähen, wenn man keinen Gummi hat.
Heldinnen an der Nähmaschine
Sicher ist dieses Modell aufwendiger zu nähen als andere. Für eine Maske nach dem Schnittmuster von Mira Rostock brauche ich mindestens 20 Minuten. Wenn ich in den Sozialen Medien sehe, dass andere an einem Tag 50-100 Masken nähen, weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich sie bewundern oder bedauern soll. Es ist absolut unglaublich, was viele Hobbynäherinnen da gerade leisten, und ich befürchte, viele gehen dabei weit über ihre Belastungsgrenze.
Einerseits können wir jetzt beweisen, dass Nähen unsere Superpower ist, andererseits tappen wir Frauen wieder leicht in eine Falle. Neben Arbeit, Familie, Home Schooling und Haushalt wird jetzt auch noch vorausgesetzt, dass wir als Dienst für die Gesellschaft Masken im Akkord nähen. Es gibt Frauen, die jetzt schon ein schlechtes Gewissen haben, nur weil sie mal etwas für sich selbst nähen und keine Mundschutze für Praxen und Kliniken herstellen und spenden.
Auch ein feministisches Thema!
Marja Katz hat auf Instagram einen feministischen Gedanken eingebracht, den ich sehr interessant fand. Sinngemäß: Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich hier auf Ressourcen wie Zeit, Material und Skills von Frauen zurückgegriffen wird! Ich hoffe, es ist okay, dass ich dich hier zitiere, Marja.
Ich behaupte, in fast jedem Haushalt, in dem eine Nähmaschine steht, lebt auch ein Mann. Komisch, dass kein Mann den sozialen Druck fühlt, in seiner Freizeit Masken zu nähen. Den Schuh ziehen nur wir Frauen uns an. Hier das Zitat vom Träger eines Y-Chromosoms: „Das ist absolut toll und ehrenwert, Masken zu nähen, aber das bezahlt mir nicht meine Rechnungen.“ Und dass die Herren der Schöpfung nicht nähen können, das lass ich nicht gelten. Ich erkläre jedem Mann innerhalb von 15 Minuten die Nähmaschine und schon kann’s losgehen. Auf YouTube gibt’s mittlerweile unzählige Anleitungen. Übrigens gibt’s da auch Tutorials, wie man sich ruckzuck eine Maske aus einem Tuch bindet oder aus anderen Materialien bastelt.
Mich beschäftigt das Thema „Masken nähen“ mehr, als mir lieb ist. Aber ich habe jetzt meine Haltung dazu gefunden: Ich nähe ausschließlich für meine Familie. Und zwar nicht, weil mir langweilig wäre oder mir das besonders viel Spaß machen würde. Sondern weil sich meine Familie von mir Masken gewünscht hat und ich meinen Lieben diesen Wunsch gerne erfüllen möchte. Dazu gibt es eine „Gebrauchsanweisung“ inklusive Waschanleitung. Jeder soll zwei Mundschutze bekommen und kann dann selbst entscheiden, ob und wann er sie tragen möchte. Heute Nachmittag lege ich los.
Links und Tipps:
- Was man über Schutzmasken in Zeiten von Corona wissen muss (Link zu quarks.de)
- Mundschutz – Welche Maske soll ich tragen? (Link zu zeit.de)
- Respiratory virus shedding in exhaled breath and efficacy of face masks (Link zu nature.com)
- Test – Mundschutz selber nähen (Link zu Verena von „Einfach bunt“, die verschiedene Anleitungen für Mundschutze getestet hat und vergleicht.)